Im Ausland veröffentlichen? Der spanischsprachige Markt im Blick

Nachdem wir uns allgemein mit Möglichkeiten und Gefahren der weltweiten eBook-Märkte befasst haben, wird es in lockerer Folge direkt in die jeweiligen Länder gehen. Dazu habe ich mir Gastautoren gesucht, die in dem jeweiligen Land leben. Den Anfang macht Elke Becker – sie lebt in Spanien. Elke, du hast das Wort.

Nachdem nun nach Spanien auch Mexiko zu den Ländern der Amazon-KDP-Welt gehören, ist es Zeit, sich auch mit den spanischsprachigen Märkten zu beschäftigen. Mexiko wird vermutlich im spanischsprachigen Südamerika nur den Anfang bilden. Bevor ich auf meine Einschätzung zu Mexiko eingehe, bleibe ich in Europa. Der Kindle ist bereits vor einem Jahr in Spanien angekommen.

Aber wie viele Leser gibt es in Spanien überhaupt? Natürlich sehe ich Kindle-Leser auf Mallorca, doch 99 Prozent davon sind Touristen oder ansässige Ausländer. Ich selbst kenne persönlich nicht einen Spanier, der einen Kindle hat, doch in Madrid oder anderen großen Städten ist das anders. Mallorca ist eben doch irgendwie ein Dorf, das der modernen Technik hinterherhinkt und bei der hohen Arbeitslosenquote (Spanien 25 Prozent – Jugendarbeitslosigkeit über 40 Prozent) wundert es mich auch nicht, so wenige Spanier mit den neuesten technischen Errungenschaften zu sehen.

Wenn ich irgendwo auf einer Behörde warte und meinen Kindle auspacke, um zu lesen, dauert es nicht lange, bis mich mein Sitznachbar anspricht, was für ein Gerät das denn ist. Zwischenzeitlich habe ich einige spanische Bücher auf meinem Kindle, um es entsprechend zu erklären, denn deutsch oder englisch lesen mag hier niemand. Die Begeisterung ist groß und das Interesse auch, aber dann kommt das leidige Thema “Geld” ins Spiel. Sie würden ihn gerne haben, wenn sie es denn könnten, denn die Spanier lesen viel und gerne. Auf den Buchflohmärkten, die es regelmäßig gibt, zeigt sich die Begeisterung fürs Lesen. Aber eben das gedruckte Buch. Die Jugend tickt da bereits anders. Auf dem Festland sieht man immerhin den einen oder anderen mit einem Kindle oder es wird auch auf dem Smartphone gelesen. E-Books sind trotzdem noch Neuland und entsprechend sieht es auch bei den Verkaufszahlen aus.

Lohnt es sich also, als deutscher Autor eine Übersetzung anzustreben? Das kann ich schlecht einschätzen, doch ich persönlich zögere, weil ich Spanien als Markt nicht richtig einschätzen kann. Amazon machte große Werbung vor Weihnachten und die Zahl der spanischsprachigen E-Books beträgt etwas über 70.000. Doch die Verkaufszahlen bei Amazon wirken vergleichsweise gering, wenn ich sie mit den Anfängen auf dem deutschen Markt vergleiche. Denn so ähnlich hat sich auch der deutsche Markt bei der Öffnung gezeigt. Wenn ich mich recht erinnere, waren es damals knapp 50.000 deutschsprachige E-Books. Nach 2,5 Jahren sind es nun über 200.000 und die Leseranzahl ist enorm gestiegen. Trotzdem waren die Verkaufszahlen für ein Ranking in den TOP1000 andere. Im spanischen Amazon genügten vor 3 Monaten 5 Verkäufe pro Woche, um dort zu landen, das war in Deutschland nie so. Ich ziehe daraus den Schluss, dass der Kindle in Deutschland besser akzeptiert wurde. Auch ist Spanien kein “Online-Land”. Das zeigt sich in allen Dingen des Lebens. Es gibt z. B. nur eine Versandhauskette für Kleidung und die gibt es erst seit vier Jahren. Das Verfahren ist so unglaublich kompliziert und kundenunfreundlich, dass ich mir das nicht antun möchte.

Die Akzeptanz von Amazon oder anderen Online-Anbietern in Spanien zeigt sich auch bei den Rezensionen: Die Hälfte der Titel in den TOP100 hat weniger als 10.

Die Preise für die E-Books bewegen sich in ähnlichen Bereichen wie in Deutschland. Sie sind also bezahlbar. Daran kann es nicht liegen. Die Verlags-E-Books werden mit einem 20prozentigen Nachlass im Vergleich zu den Printbüchern abgegeben. Eine ähnliche Regelung findet sich auch in Deutschland.

Im Prinzip könnte der E-Book-Markt auch in Spanien funktionieren, gelesen wird hier dasselbe wie in Deutschland und die Mischung der Autoren ist bunt. Wer darüber nachdenkt, auf den spanischen Markt zu zielen, muss sich kein phantasievolles Pseudonym ausdenken, so eng sehen das die Leser hier nicht, denn das Gros der gelesenen Autoren ist aus dem Ausland. Doch auch hier gilt: Einen guten Übersetzer wählen. Ob die Investition jemals eingespielt wird, können nur die Zeit und die Entwicklung des Marktes zeigen. Interessant ist es auf jeden Fall, einem jungen Markt beim Wachsen zuzusehen, denn auch Spanien wird sich im Onlinehandel weiterentwickeln, dessen bin ich mir sicher. Es hat sich in den letzten Jahren schon einiges in diese Richtung bewegt; wenn die Wachstumsraten auch nicht mit Deutschland mithalten können.

Spanische Distributoren für Autoren sucht man hier jedoch vergeblich. Mir ist kein einziger bekannt, der Autoren aufnimmt. Selbst kleine Verlage müssen mindestens 10 Titel / Jahr anbieten können, wenn sie bei einem Händler aufgenommen werden wollen. (Randinfo: Der Autorenprozentsatz beträgt bei den spanischen Verlagen mindestens 25% im E-Book-Bereich.)

Als Autor gilt auch wieder mit den üblichen Händlern zusammenzuarbeiten, um in die passenden Verkaufsplattformen zu kommen.

  • Amazon
  • Apple
  • Pubit – der spanische Ableger von Barnes and Nobles
  • Google
  • Smashwords
  • Lulu

Wer nun daran denkt, mit einer spanischen Übersetzung ja nicht nur den spanischen, sondern den gesamten spanischsprachigen Markt beackern zu wollen, dem möchte ich noch eines mit auf den Weg geben: Das mexikanische Durchschnittseinkommen beträgt unter 500 Euro. Die Mexikaner lesen sehr, wirklich sehr wenig und viele (ca. 10 Prozent) können es noch nicht einmal. Auch wenn Pedro Huerta – der Sprecher von Amazon für Lateinamerika – in seiner Bekanntgebung erklärte: “Die große Mehrheit der Mexikaner haben keinen Zugang zu einer städtischen Bibliothek und aus diesem Grund sind wir überglücklich den Menschen nun die Möglichkeit zu geben, im Kindle-Store einzukaufen.” So wirkt dieser Satz für mich doch polemisch, denn wenn die Menschen keinen Zugang zur Bibliothek haben, so haben sie vermutlich auch kein Internet (nur 48 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zum Internet). Und wenn sie in keinem Buchladen einen Roman kaufen können, wie sollten sie das nötige Geld haben, sich einen Kindle leisten zu können? Mehr als 60 Prozent verfügt nicht einmal über eine persönliche Kontoverbindung – eine in der Familie genügt doch –, wie sollte dort also die Zahlung erfolgen?

Nicht ohne Grund gibt es in Mexiko von Amazon nur den Kindle-Store und nichts weiter, denn das dortige System würde eine zuverlässige Auslieferung überhaupt nicht zulassen. Lieferungen kommen beschädigt oder zeitlich unzuverlässig an. Mexikanern selbst würde es im Leben nicht einfallen, in Mexiko ein Produkt über das Internet zu bestellen. Die Angst, der Zulieferer oder der Anbieter könnte die Ware stehlen/unterschlagen und der Kunde auf der Rechnung sitzen bleiben, wäre zu groß.

Wer sich also auf den spanischen Markt vorwagen möchte, sollte das mit dem nötigen Weitblick tun und nicht auf ein Einspielen der Investition in kurzer Zeit hoffen; vor allem jedoch sollte er sich über die lateinamerikanischen Länder keine Illusionen machen. Man sollte sich auch überlegen, ob das Thema des Romans oder des Sachbuches für Menschen außerhalb von Deutschland interessant ist.

Ich werde den Markt weiterhin beobachten. Wer kann schon sagen, wie sich der spanische Markt entwickeln wird?

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Über die Autorin: Elke Becker, 1970 in Ulm geboren, arbeitete einige Jahre als Sekretärin in verschiedenen Firmen. Um ihre Abenteuerlust zu befriedigen, bereiste sie viele Länder Süd- und Mittelamerikas und einige Karibikinseln mit dem Rucksack. Nach einer mehrmonatigen Reise durch Venezuela und Mexiko wurden ihr die mangelnden Spanischkenntnisse unerträglich. Dies und die Schönheit Venezuelas veranlasste sie dazu, 1999 ihre Arbeitsstelle im Vorstandssekretariat zu kündigen, um für ein Jahr in Venezuela Spanisch zu studieren. Aus dem geplanten Jahr wurden zwei. Dort begann sie auch zu schreiben. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland fühlte sie sich dort nicht mehr heimisch. Das bayrische Landleben wurde ihr zu eng.

Weiterhin vom Fernweh gepackt, reiste sie häufig in die Dominikanische Republik, um dort, gemeinsam mit ihrer Schwester, die Gründung eine Sprachschule zu planen, die schließlich 2003 ihre Türen öffnete. Durch die hohe Kriminalität sahen sie sich jedoch gezwungen, die Schule bereits zwei Jahre später wieder zu schließen. Das dortige Leben inspirierte sie zum Chick-Lit-Roman „Ticket ins Glück“, den sie über KDP selbst veröffentlichte. Ein weiterer Roman über die Schattenseiten des Urlaubsparadieses ist in Vorbereitung.

Der Wunsch nach mehr Sicherheit ließ sie nach Spanien blicken, wobei die Wahl letztlich auf Mallorca fiel. Dort lebt sie nun seit 7 Jahren mit ihrer Schwester und arbeitet seit drei Jahren nur noch 2 Tage pro Woche in einem Immobilienbüro. Die anderen Tage verbringt sie nach ihrer Ausbildung zur Drehbuchautorin mit Schreiben. Erschienen sind zwischenzeitlich „Das Mallorca Kartell“, ein Immobilienkrimi, “Mallorca Schattengeschichten“, ein Kurzgeschichtenband, die Fantasy-Trilogie „Im Schatten des Mondlichts“ unter dem Namen J. J. Bidell und ein weiterer Chick-Lit-Roman mit dem Titel „Yoga ist auch keine Lösung“ wird Ende September erscheinen.

Weitere Infos: www.elke-becker.com