Wie der Verkaufsrang von Amazon funktioniert – Mythen und Realität

Wer sein eigenes Buch via KDP oder Distributoren bei Amazon eingestellt hat, kommt oft plötzlich gar nicht mehr vom Bildschirm los. Eine magische Zahl lockt, die sich nach unbegreiflichen Zusammenhängen verändert: der Verkaufsrang oder Bestsellerrang, englisch Sales Rank. Eine Menge Mythen ranken sich um diese Zahl. Das liegt natürlich zum einen daran, dass Amazon um die dahinter stehenden Algorithmen ein Geheimnis macht. Eine weitere Ursache ist, dass unerklärliche Sprünge zu beobachten sind: Selbst, wenn sich ein Buch kein einziges Mal verkauft hat, kann es in den Charts nach oben steigen!

Zunächst die Grundlagen. Der Verkaufsrang zeigt auf, wie oft sich ein Buch oder eBook auf einer länderspezifischen Amazon-Seite aktuell (!) verkauft, und zwar im Vergleich zu allen anderen Büchern bzw. eBooks. Verkäufe bei Amazon.com beeinflussen den Rang bei Amazon.de nicht – und umgekehrt. Auch das Verschenken von eBooks wird nicht beim Sales Rank berücksichtigt. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob ein Kunde nach dem Buch gesucht oder sich dessen Detailseite angesehen hat – es handelt sich um den Verkaufsrang, nicht um die Popularität (eine andere Amazon-Bestenliste, auf die ich in einem späteren Artikel eingehen werde). Und schließlich misst der Sales Rank auch nicht, wie oft sich ein Titel insgesamt verkauft hat – dann wären Bestseller kaum noch von ihrer Position zu vertreiben. Wohl aber tauchen Ausleih-Vorgänge über die Kindle-Leihbibliothek in dieser Statistik auf – nicht ganz unwichtig für KDP-Autoren, die über den Sinn oder Unsinn des KDP-Select-Programms nachdenken.

Das einzige, was Amazon offiziell verrät, ist die Häufigkeit der Aktualisierung. Die Plätze 1-10.000 werden stündlich aktualisiert, bis 100.000 erfolgt täglich eine Neuberechnung, und darüber hinaus gibt es monatlich frische Zahlen. Das heißt nicht, dass sich jeder Verkauf binnen einer Stunde in den Top 10000 wiederfindet. Offenbar dauert es eine Weile, bis die Sales an den Chart-Generator weitergereicht werden. Wer in KDP seine Zahlen verfolgt, kennt die Verzögerung ja schon.

Nun gibt es natürlich inzwischen dank KDP eine sehr große Datenbasis, aus der Self Publisher weltweit versuchen, die Geheimnisse des Verkaufsrangs zu ergründen. Als Schnittmenge aller bisherigen Erkenntnisse lässt sich zumindest sagen, dass ein wesentlicher Faktor des Amazon-Algorithmus die Definition des Berechnungszeitraums ist. Der Computer nimmt offenbar die Verkäufe in den letzten x Stunden zur Basis seiner Berechnung. Welchen Wert x hat, darüber lässt sich streiten – wahrscheinlich ist ein Wert zwischen 12 und 24 Stunden. Verkäufe, die älter sind, fließen aber wohl auch noch in das Ergebnis ein, allerdings mit einem auf das Alter bezogenen Gewichtungsfaktor. Sollte sich ein Top-10-Titel ein paar Stunden lang gar nicht verkaufen, dauert es mehrere Tage, bis er nicht mehr in den Top500 ist. Das war zuletzt sehr gut bei Martina Gerckes Büchern zu beobachten, die zwar nicht mehr verfügbar waren, aber trotzdem noch in den Bestenlisten geführt wurden.

Kann man vom Verkaufsrang auf die Anzahl verkaufter Titel schließen? Nein, dazu bräuchte man Informationen über den Gesamtmarkt, da es sich ja beim Verkaufsrang um einen Relativ-Wert handelt. Es lassen sich aber grobe Zahlen dafür angeben, wie oft sich ein eBook durchschnittlich über die letzten 30 Tage bei einem bestimmten Verkaufsrang verkauft hat. Diese Schätzungen gelten für Deutschland und den Januar 2013, sie beruhen auf meinen eigenen Stichproben und Berichten von Autoren (die leider oft sehr sparsam mit Informationen sind).

  • Platz 1-10: (deutlich) über 1000 (exponentiell abfallend von Platz 1)
  • Platz 11-30: 200 pro Tag
  • Platz 31-60: 120 pro Tag
  • Platz 61-100: 80 pro Tag
  • Platz 101-400: 50 pro Tag
  • Platz 401-700: 30 pro Tag
  • Platz 701-1000: 20 pro Tag
  • Platz 1001-2000: 10 pro Tag
  • Platz 2001-3000: 5 pro Tag
  • Platz 3001-5000: 3 pro Tag

Zahlen für alle eBooks finden Sie in den Amazon-Top-1000.

Wenn ein Buch auch nur irgendeinen Verkaufsrang besitzt, ist es zumindest im letzten Monat einmal verkauft worden. eBooks haben dann einen Verkaufsrang um 350.000, jedenfalls derzeit.

Wie kann sich der Rang eines eBooks verbessern, ohne dass ein einziges Exemplar verkauft wurde? Ganz einfach: das liegt am rollierenden Zeitraum der Berechnung. Wenn zunächst noch Titel vor ihm liegen, deren Verkäufe etwas weiter in der Vergangenheit liegen, dann werden diese Verkäufe mit der Zeit an Wert (für das Ranking abnehmen) und das Buch rutscht nach oben. Bis dann selbst seine Zeit abgelaufen ist…

Spielt der Preis eines eBooks eine Rolle für seine Platzierung? Nach meinen eigenen Versuchen nicht – preislich verschiedene, aber ähnlich oft verkaufte Titel landeten, wie es sich gehört, auch auf ähnlichen Plätzen im Ranking.

Wie genau sind also Zahlen, wie sie so genannte Sales-Rank-Tracker wie Novelrank.com oder Sales Rank Express ermitteln? Auch hier handelt es sich eher um Schätzungen, die in der Regel deutlich niedriger liegen als die tatsächlichen Zahlen.

Gilt der Verkaufsrang für alle Kategorien? Nein, die Erotik ist eine Ausnahme. Offenbar will Amazon die Verkaufscharts nicht mit eindeutigen Titeln überschwemmen. Alle eBooks, die in der Erotik-Kategorie eingeordnet sind (Shades of Grey und ähnliches gelten offenbar noch nicht als erotisch), erscheinen nur in dieser Kategorie, wo sie mit allen ähnlichen Titeln konkurrieren.