Via Amazon mit dem eigenen eBook in die Welt – lohnt sich eine Übersetzung?

Nachdem mein Kindle-Handbuch in Deutschland so erfolgreich war, habe ich natürlich sofort überlegt, ob es sich nicht auch anderswo verkaufen lassen müsste. Das Ergebnis waren vier Übersetzungen: ins Französische, Englische, Spanische, Italienische und Chinesische. Erfolgreich waren davon die französische, die spanische und die italienische Version – alle drei schafften es 2011 mindestens in die Top 3 des jeweiligen Landes.

Die englische Version erwies sich aber ebenso als Pleite wie die chinesische. Immerhin steht das englische Kindle-Handbuch wenigstens online – die chinesische (und auf Exilchinesen abzielende) Version habe ich lange Zeit gar nicht anbieten können. Erst in diesem Jahr gelang es mir, sie bei Kobo online zu stellen. Es gibt vermutlich bessere Orte für ein Kindle-Handbuch…

Das alles geschah Ende 2011 oder Anfang 2012. Lohnen sich Übersetzungen heute eher? Eher nicht, wenn es um den US-Markt geht. Es ist selbst für deutsche Bestseller schwer, ohne Unterstützung von Amazon dort erfolgreich zu sein. Der Lohn wäre zwar umso größer, doch das Risiko zu scheitern ist ebenfalls weitaus größer. Ähnliches gilt für Großbritannien.

In Indien sind zwar ebenfalls englischsprachige Leser zu finden – doch dort gibt es bereits eine größere Anzahl an eBook-Anbietern mit gutem Namen. Distributor Smashwords beliefert einen davon neuerdings. Der US-Riese Amazon hat sich dort noch nicht so durchsetzen können wie bei uns.

Interessanter dürften da Übersetzungen ins Portugiesische und Spanische sein. Die Märkte in Brasilien und Mexiko sind noch jung. Es gibt dort inzwischen längst eine aufstrebende Mittelschicht, die liest und durchaus Geld mitbringt. Wichtig ist aber ein Verhältnis zur Sprache: Wie wollen Sie eine Fanbasis aufbauen, wenn Sie mit Ihren Fans nicht kommunizieren können? Wie wollen Sie die Qualität einer Übersetzung prüfen? Wollen Sie für jeden Klappentext, jede Werbeaktion einen Übersetzer bezahlen? Wie wollen Sie herausfinden, wie Sie dort für sich werben können? Wie schreiben Sie Blogger an, die in Landessprache über Ihr Buch berichten?

Japaner sind traditionell lesebegeistert. eReader sind dort allerdings weniger verbreitet – eher wird auf dem Handy gelesen. Titel mit regionalem Bezug könnten hier durchaus Chancen haben, zumal Deutschland einen guten Ruf genießt. Aber auch hier kommen Autoren ohne Kenntnis der Landessprache oder lokale Unterstützung nicht weit.

Wo Amazon heute vertreten ist oder bald vertreten sein wird

Mit dem Start in Mexiko ist das Kindle-System nun für etwa 2,5 Milliarden Menschen weltweit in ihrer Muttersprache zugänglich. Ein Start in China, heißt es, stehe kurz bevor, ebenso soll Russland auf den aktuellen Expansionsplänen von Amazon stehen.

Self Publisher haben jedoch ein paar zusätzliche Probleme – China etwa wird kaum erlauben, dass jeder (und auch noch jeder Ausländer) einfach so dort eBooks anbietet. In allen neuen Gebieten setzt Amazon zudem eine exklusive Veröffentlichung über KDP Select voraus – sonst gibts nur 35 Prozent Honorar.

Welche Potenziale bieten diese Länder, insbesondere auch für Indie-Autoren?

  • China: 1344 Millionen Einwohner. Staatliche Zensur. Veröffentlichung chinesischsprachiger Titel via KDP technisch noch nicht möglich. Wegen Zensur wohl auch perspektivisch direkte Veröffentlichungen von Ausländern in China unwahrscheinlich.
  • Indien: 1241 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP möglich, aber nur auf Englisch, nicht auf Hindi oder anderen Landessprachen. Auf Englisch starke Konkurrenz von US-Autoren. 70 Prozent Honorar nur mit KDP Select.
  • USA: 313 Millionen Einwohner. Hohe Marktdurchdringung von eBooks, starke Konkurrenz. Vorherrschend Englisch, aber auch Spanisch. 70 Prozent Honorar.  Leihbibliothek.
  • Brasilien: 195 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Portugiesisch möglich. 70 Prozent Honorar nur mit KDP Select.
  • Mexiko: 112 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Spanisch möglich. 70 Prozent Honorar nur mit KDP Select.
  • Russland: 143 Millionen Einwohner. Veröffentlichung russischsprachiger Titel via KDP technisch noch nicht möglich. Amazon noch nicht mit eBook-Angebot vertreten.
  • Japan: 128 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Japanisch möglich. 70 Prozent Honorar nur mit KDP Select. Leihbibliothek.
  • Deutschland: 82 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Deutsch möglich. 70 Prozent Honorar. Leihbibliothek.
  • Frankreich: 65 Millionen  Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Französisch möglich. 70 Prozent Honorar. Leihbibliothek. Marktgröße etwa 30 Prozent, verglichen mit Deutschland.
  • Großbritannien: 63 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Englisch möglich. Starke Konkurrenz, auch von US-Autoren. 70 Prozent Honorar. Leihbibliothek.
  • Italien: 61 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Italienisch möglich. 70 Prozent Honorar. Leihbibliothek. Marktgröße etwa 50 Prozent, verglichen mit Deutschland.
  • Spanien: 47 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Spanisch möglich. 70 Prozent Honorar. Leihbibliothek. Marktgröße etwa 40 Prozent, verglichen mit Deutschland.
  • Kanada: 34 Millionen Einwohner. Veröffentlichung via KDP auf Englisch / Französisch möglich. Auf Englisch starke Konkurrenz. 70 Prozent Honorar. Leihbibliothek.
Für 70 Prozent Honorar setzt Amazon in vielen Ländern Exklusivität voraus


Die eBook-Welt bei anderen Anbietern

Amazon ist zwar der weitaus größte, aber nicht der einzige Anbieter. iTunes, Kobo und Google Play sind theoretisch bereits in weitaus mehr Ländern vertreten als Amazon, und Autoren können dort auch über die Self-Publishing-Systeme dieser Anbieter veröffentlichen. Allerdings ist die Marktdurchdringung weltweit leider auch minimal. Und auch Amazon verkauft an Kunden weltweit eBooks – nur werden diese alle auf Amazon.com umgeleitet, wenn es keine eigene Länderversion gibt.

Bei Kobo etwa verkaufe ich zwar ab und zu ein paar Exemplare meiner “New Biography of the Universe” – aber stets nur in deren Heimatland Kanada. iTunes ergibt ebenfalls allerhöchstens Verkäufe in Europa. Allein dieser Firmen wegen eine Übersetzung anfertigen zu lassen, dürfte sich nicht lohnen.