Wie die Charts, Rankings und Bestsellerlisten bei Amazon funktionieren

Die Existenz der verschiedenen Bestenlisten und Empfehlungs-Algorithmen bei Amazon sorgt gern für Verwirrung. Das beginnt schon bei der Tatsache, dass der Anbieter mehr als ein solches Ranking führt. Wer braucht das, und warum? Und wie lässt sich mit Hilfe dieser Tatsache der Verkauf des eigenen Titels verbessern?

Was den meisten Amazon-Kunden (und auch den Autoren) zuerst auffällt, ist die Bestseller-Liste. Sie umfasst genau 100 Titel und ist hart umkämpft. Anders als bei anderen Unternehmen kann man sich hier nicht einkaufen, und Amazon doktert an der Liste auch nicht redaktionell herum (mit der Ausnahme, dass Erotik-Titel hier nicht geführt werden). Die Bestseller-Liste wird automatisch erstellt und für die vorderen Ränge stündlich aktualisiert, für die hinteren seltener. Es sei denn, die Amazoncomputer hängen mal wieder.

Das Bestseller-Ranking

Die Bestseller-Liste basiert auf dem Verkaufsrang (Sales Rank) eines E-Books. Jedes Buch besitzt einen anderen Verkaufsrang, der in der Buchbeschreibung ablesbar ist (#xx Bezahlt in Kindle-Shop). Der Text verrät schon, woraus sich der Rang zusammensetzt: Aus den aktuellen Verkäufen eines E-Books in der betreffenden Filiale von Amazon. Verschenkaktionen spielen hier also keine direkte Rolle. Doch auch Verkäufe via Amazon.com werden bei Amazon.de nicht berücksichtigt. Der Preis des Titels hat auf die Platzierung keine Auswirkungen, ebensowenig irgendwelche Label (“Bestseller”, “All Star”) oder die bloße Tatsache, dass ein Titel bei Select angemeldet ist. Amazon berücksichtigt jedoch auch Verleih-Vorgänge im Rahmen von KindleUnlimited und von Prime Reading, obwohl diese für den Leser (scheinbar) kostenlos sind – der Autor wird ja dafür auch bezahlt. Weitere Mythen und Wahrheiten zum Amazon-Verkaufsrang erkläre ich hier.

Verkaufsrang eines E-Books: Oben allgemein, darunter in Kategorien.

Wie im obigen Bild erkennbar ist, führt Amazon zusätzlich für jede Kategorie einen Verkaufsrang. Dabei gibt es besonders hart umkämpfte Kategorien mit viel Konkurrenz und solche, wo weniger los ist.

Wenn der eigene Titel in der Hauptkategorie keine Chance hat, kann es deshalb nützlich sein, ihn anderswo einzuordnen (siehe unten). Denn finden können ihn potenzielle Käufer sowieso nur, wenn er über eine der Listen sichtbar ist. In einer exotischeren Kategorie suchen zwar vielleicht nicht so viele Käufer – doch wenn sich dann mal jemand dort hinein verirrt, trifft er den eigenen Titel viel weiter oben, während er ihn in der umkämpften Kategorie vielleicht gar nicht gefunden hätte. Allerdings sollten Sie nur Kategorien wählen, die auch zum Inhalt Ihres Buches passen. Das fordern zum einen die Amazon-Bestimmungen, zum anderen verärgern Sie Leser (und Rezensenten), wenn die Kategorie-Angabe etwas verspricht, was das Buch nicht hält. Es hat schon für manches Buch schlechte Bewertungen gehagelt, weil es falsch eingeordnet war. Es ist auch kein besonders ethisches Verhalten, Bücher nur wegen der Platzierung in die unpassenden Kategorien einzuordnen. “Die anderen machen es auch” wäre für mich keine Entschuldigung.

Regal für KindleUnlimited

Wer sich exklusiv an Amazon bindet und dadurch über das KDP-Select-Programm sein Buch in die Kindle-Flatrate KindleUnlimited legen kann, erhält übrigens noch eine zusätzliche Regalfläche: Die hier ausleihbaren Titel führt Amazon nämlich nach Verkaufsrang in einer speziellen Liste. Etwa die Hälfte der Top-100-Bücher nutzt diese Möglichkeit, tatsächlich ist es inzwischen schwer geworden, ohne Select in die Top 100 einzuziehen.

Wer eine realistische Chance sieht, unter die ersten 200 Titel insgesamt zu gelangen, sollte sich deshalb überlegen, lieber exklusiv bei Amazon zu bleiben, statt auch andere Plattformen zu bedienen. Je nach Preis eines eBooks können zu zehn Käufen noch fünf bis zehn Leihen hinzukommen – die Ihnen fehlen, wenn Sie KindleUnlimited nicht bedienen. Je höher der Buchpreis ist, desto höher ist auch die Leihquote.

Das Beliebtheits-Ranking

Das ist aber nicht alles – Amazon führt auch eine Rangliste, die gern “Popularitäts- oder Beliebtheits-Ranking” genannt wird. Auf der Webseite werden Sie diese Liste aber nicht finden, jedenfalls nicht unter diesem Namen. Sie kommt immer dann zum Einsatz, wenn Käufer sich über die Kategorien im Kindlestore durchklicken. Bei dieser Art des Vorgehens werden alle Titel “nach Empfehlung” gelistet (im Bild oben rechts).

Das Beliebtheits-Ranking hat allerdings noch ein paar Eigenheiten, die es Indies erschweren, die Effekte zu nutzen. Denn zum einen fließt hier auch der Preis eines Buches mit ein (bei Verschenkaktionen der vorherige Preis). Phoenix Sullivan hat für Amazon.com die Wichtungsfaktoren berechnet. Ob sie ähnlich auch für Amazon.de gelten, ist unklar. Teure Verlags-Bücher, das ist aber deutlich, haben auch bei uns größere Chancen, im Beliebtheitsranking nach oben zu kommen.

Zum zweiten berücksichtigt diese Liste die Leihvorgänge aus KindleUnlimited nicht (anders als die allgemeine Bestenliste). Sie wird auch nicht so oft aktualisiert (nämlich nur einmal am Tag) und besitzt eine Verzögerung von zwei Tagen. Darum dauert es auch nach einer Verschenkaktion stets genau zwei Tage, bis sich bei dem verschenkten Titel etwas tut. Auf welcher Position ein Titel landet, bestimmt sich nach seinen Umsätzen in den vergangenen 30 Tagen. Die Verkaufs-Bestenliste hingegen ist weitaus dynamischer und bestraft sinkende Verkäufe fast sofort, spätestens aber nach 24 Stunden.

Welche Liste hat welchen Einfluss? Das lässt sich nur grob schätzen. Leser, die sich an den Käufen anderer Leser orientieren und kein bestimmtes Thema suchen, nutzen das Bestseller-Ranking. Wer sich jedoch für eine bestimmte Kategorie interessiert, wird sich dort durchklicken und bekommt Ergebnisse des Beliebtheits-Rankings gelistet. Experten schätzen, dass zwei Drittel der Verkäufe über das Beliebtheits-Ranking zustande kommen, aber nur ein Drittel über das Bestseller-Ranking.

Wer einmal in den Kategorien stöbert, wird auch eine weitere Besonderheit bemerken: Amazon featured alle Neuerscheinungen zusätzlich. Früher konnte man den Erscheinungstermin in KDP manuell ändern; da dies dazu missbraucht wurde, die Neuerscheinungs-Liste zu spammen, hat Amazon diese Möglichkeit abgeschafft.

Doch es gibt noch zwei andere Faktoren, die auch eine Art von Ranking darstellen: das, was die Amazon-Suchfunktion ausspuckt – und der Eintrag “Kunden kauften auch”.

Kunden kauften auch…

Unter jedem Buch führt Amazon bis zu 99 weitere Bücher auf, die “Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften”, die sogenannte “Kunden kauften auch”-Liste (KKA). Es ist klar: das ist eine wichtige Chance für Ihr Buch. Bis Ihr eigener Titel bei fremden Büchern erscheint, vergeht etwas Zeit, eine Woche sollten Sie mindestens Geduld haben. Und auch dann erreichen Sie nur eine sinnvolle Platzierung, wenn Ihr Buch nicht von irgendwem, sondern von Fans des Genres gekauft wird. Insbesondere nach über Drittanbieter gut beworbenen Preisaktionen werden Sie feststellen, dass Ihr Buch bei gar nicht zum Genre passenden Titel auftaucht – das ist ein unangenehmer Nebeneffekt der Gesellschaft und Sichtbarkeit, die man bekommt.

Diese Art des Listings ist darum am schwersten zu beeinflussen, und sie zeigt dem Nutzer auch, wenn Sie versuchen, das Ranking Ihres Buches durch gekaufte Käufe zu manipulieren: Dann wird sich nämlich unter Ihrem Buch ein buntes Sammelsurium von Titeln aus allen möglichen Bereichen finden.

Mit den KKA experimentiert Amazon in letzter Zeit häufig. Manche Nutzer sehen sie gar nicht, andere nur in bestimmten Browsern.

Amazon-Suchfunktion

Die Suchfunktion orientiert sich zum einen ganz klassisch, wie man es von Suchmaschinen kennt, an den Metadaten: Titel, Beschreibung und Keywords eines E-Books. Wichtig ist hier auch die Kategorie – “Blackout” von Marc Elsberg etwa besitzt weder im Titel noch im Klappentext das Wort “Thriller”, taucht aber trotzdem bei einer Stichwortsuche danach oben auf – denn es befindet sich in der Thriller-Kategorie. Das ist übrigens ein weiteres Argument, warum Sie keine falschen Kategorien wählen sollten. Der Buchinhalt wird nicht indexiert.

Dafür aber spielen bei Amazon-SEO zwei weitere Faktoren eine wichtige Rolle, die Google nicht kennt: Bisherige Verkaufszahlen und die mittlere Leserbewertung. Das ist logisch: Amazon möchte die Bücher oben platzieren, die andere Kunden gut fanden und gekauft haben.

Kategorie ändern – wie geht’s?

Wenn Sie nun festgestellt haben, dass Ihr Titel in seiner aktuellen Kategorie keine Chance hat oder auch falsch platziert wurde – was können Sie tun? Das Kategorie-System, auf das Sie via KDP Zugriff haben, unterscheidet sich von den in Amazon.de verwendeten Kategorien zum Teil deutlich. Der KDP-Support kann hier jederzeit Abhilfe schaffen. Schreiben Sie dem KDP-Support über das Kontaktformular (es gibt keine E-Mail-Adresse mehr), wo Sie Ihren Titel gern platziert hätten, und zwar mit dem genauen Pfad, über den sich ein Käufer durchklicken muss, also etwa Kindle eBooks -> Belletristik -> Humor. Insgesamt sind auf diese Weise bis zu zehn Kategorien möglich (aber nicht Pflicht – ich kenne wenige Bücher, für die zehn Kategorien sinnvoll sind).

Wann ist ein Buch ein Bestseller?

Manchmal werde ich auch gefragt, wann das eigene Buch als Bestseller gilt. Es soll Autor*innen geben, die ihren Titel extra in einer exotischen Kategorie einstellen, um dort das Bestsellerfähnchen zu erhalten. Das ist albern. Ein Buch, das in einer obskuren Nische mal ganz oben stand, ist kein “Bestseller”. Im Allgemeinen sollte ein Titel, der “Amazon-Bestseller” genannt werden will, es auf die Top 1 oder wenigstens in die Top 10 der Kindlecharts geschafft haben, und wenn man großzügig ist, könnten es die Top 100 sein oder auch die Top 1 einer beliebten Hauptkategorie. Die Maßstäbe sind da natürlich unterschiedlich. Es wird Ihnen auch niemand verdenken, sich über das Bestsellerlogo einer Minikategorie zu freuen, nur sollten Sie damit nicht unbedingt in der Verlagswelt hausieren gehen.